Vor dem Landgericht Regensburg wurde ein 54-jähriger Mann wegen Totschlags verurteilt. Aufsehen erregte jedoch auch der Umstand, dass zwei Sprachaufzeichnungen des Lautsprechers „Amazon Echo“ in den Prozess eingeführt wurden, wonach sich der Täter kurz vor Mitternacht in der Wohnung des Opfers aufhielt und diese gegen 03:00 Uhr verließ. Amazon zeigte sich kooperativ und gab die Daten heraus. Gerade im Hinblick auf die voranschreitende Digitalisierung und Automatisierung (Stichwort: Smart-Home, GPS-Daten von Fahrzeugen und Mobiltelefonen sowie Sprachassistenzsysteme) werden immer mehr Daten zur Rekonstruktion von Tatabläufen zur Verfügung stehen. Inwiefern Datenschutzbestimmungen und weitere Fragen der Verwertbarkeit (z.B. Vertraulichkeit des gesprochenen Wortes) dem entgegenstehen, bleibt abzuwarten, es werden sicherlich noch einige interessante Entscheidungen folgen.
Verkehrsunfallflucht nach Beschädigungen durch Einkaufswagen nicht gegeben
Eine nicht seltene Situation, die weitreichende Konsequenzen mit sich bringen kann. Auf dem Supermarktparkplatz lädt man seinen Einkaufswagen aus, dieser rollt gegen ein anderes Fahrzeug, es entsteht ein Sachschaden. So weit so gut. Doch wie ist der Sachverhalt einzuordnen, wenn sich der Supermarktkunde ohne auf den Geschädigte zu warten von der Unfallörtlichkeit entfernt. Das AG Dortmund (Beschluss vom 01.09.2020) hatte sich mit der rechtlichen Wertung dieses Falls zu befassen und entschied gegen eine Verkehrsunfallflucht gemäß § 142 Abs. 1 Nr. 1 StGB mit dem Hinweis, dass es an einem straßenverkehrsspezifischen Gefahrszusammenhang fehlt, da der Unfall nicht Ausdruck jener Gefahren war, die mit der Fortbewegung eines Fahrzeugs im Sinne der Straßenverkehrsordnung verbunden sind. Hingewiesen werden muss auf den Umstand, dass diese Rechtsauffassung nicht von allen Amts- sowie Landgerichten vertreten wird, höchstrichterliche Rechtsprechung fehlt hierzu.
Eltern bekommen Zugang zum Facebook Account der verstorbenen Tochter
In der Grundsatzentscheidung im Jahre 2018 hat der BGH entschieden, dass auch der digitale Nachlass zum Erbe gehört (BGH v. 12.07.2018, III ZR 183/17). Insoweit geht der Vertrag über ein Benutzerkonto bei einem sozialen Netzwerk grundsätzlich im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf die Erben des ursprünglichen Kontoberechtigten über.
Nunmehr hat der BGH in dem Beschluss vom 27.08.2020, III ZB 30/20 entschieden, dass der Facebook-Betreiber den erbenden Eltern einen direkten, vollständigen Zugang zu dem gesperrten Konto der verstorbenen Tochter und den darin vorgehaltenen Kommunikationsinhalten gewähren muss. Zuvor hat der Betreiber des sozialen Netzwerks einen USB Stick übermittelt, die eine PDF-Datei mit nahezu 14.000 Seiten enthält. Diese enthielt eine Kopie der ausgelesenen Daten aus dem von der Verstorbenen geführten Konto.
Die Eltern waren der Ansicht, dass ihrem Anspruch dadurch nicht Genüge getan wurde. Sie gingen dagegen erneut gerichtlich vor und begehrten stattdessen aktiven Zugriff auf das Facebook Profil ihrer verunglückten Tochter. Sie erhofften sich wohl die Hintergründe des Todes des Teenagers ermitteln zu können. Das Gericht sprach ihnen das Recht zu.
Das Recht der Erblasserin, Zugang zu dem Nutzerkonto zu haben und auf die Server des sozialen Netzwerksbetreibers zuzugreifen, geht im Wege der Gesamtrechtsnachfolge gemäß § 1922 BGB auf die Erben über, so der BGH. Aus dieser erbrechtlichen Herleitung des Anspruchs der Erben folgt unmittelbar, dass sie nicht schlechter gestellt werden dürfen als die Erblasserin, deren Rechte auf sie gemäß § 1922 BGB im Wege der Universalsukzession übergegangen sind, und dass ihnen daher als (neuen) Vertragspartnern des sozialen Netzwerkbetreibers ein identischer Zugang zu dem Benutzerkonto zu gewähren ist, führt der BGH weiter aus. Dies beinhaltet insoweit die Möglichkeit, vom Benutzerkonto und dessen Inhalt auf dieselbe Art und Weise wie die Erblasserin Kenntnis nehmen zu können und sich in Rahmen einer aktiven Nutzung dort so “bewegen“ zu können, wie zuvor die Erblasserin selbst.
Minderwertiges Marihuana und die „nicht geringer Menge“
Das LG Kleve hatte sich im Rahmen einer Haftbeschwerde mit der Fragen zu befassen, wann eine „nicht geringe Menge“ von Betäubungsmitteln nach § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG vorliegt. Der bewaffnete Drogenhändler wurde mit 200g Marihuana gefasst. Das Marihuana jedoch hatte lediglich einen Wirkstoffgehalt von 0,7 Prozent und lag damit bei weniger als 7,5 Gramm Wirkstoff THC (derzeitiger Grenzwert des Wirkstoffs im Hinblick auf die „nicht geringe Menge“). Das LG Kleve (Beschluss v. 29.12.2020 – 120 Qs 93/20) stellte fest, dass es nicht auf den tatsächich gegebenen Wirkstoffgehalt ankommt, sondern auf den vom Beschuldigten erwarteten, wesentlich höheren Wirkstoffgehalt; denn anhand von Tatort, Kaufpreis sowie weiteren Umständen ging der Beschuldigte beim Ankauf von durschnittlicher Qualität des Betäubungsmittels aus.
Einklemmen des Handys zwischen Kopf und Schulter ist ebenfalls ein „Halten“
Das OLG Köln hatte folgenden Sachverhalt rechtlich zu werten: Der Fahrer hatte sein Mobiltelefon zwischen Kopf und Schulter geklemmt. Gemäß §§ 23 Abs. 1a, 49 Abs. 1 Ziff. 22 StVO ist die Benutzung eines dort genannten elektronischen Geräts bußgeldbewehrt, wenn dieses für die Benutzung aufgenommen oder gehalten wird und kein Ausnahmetatbestand der Ziff. 2 vorliegt. Nach Auffassung des Gerichts ist grundsätzlich ein „Halten“ von Gegenständen ohne weiteres auch ohne Benutzung der Hände möglich. Demnach kann man von einem „Halten“ auch ausgehen, wenn ein Gegenstand zwischen Oberarm und Torso oder aber zwischen den Oberschenkeln fixiert wird. Ferner stehe auch der Zweck der Vorschrift einer entsprechenden Annahme jedenfalls nicht entgegen. Auf dem ersten Blick soll die Vorschrift verhindern, dass der Fahrzeugführer nicht mehr beide Hände zum Lenken des Fahrzeugs zur Verfügung hat und/oder das Verkehrsgeschehen nicht mehr vollumfänglich wahrnimmt. Allgemein betrachtet jedoch werden hiermit Tätigkeiten verboten, die sich abträglich auf die Notwendigkeit der Konzentration auf das Verkehrsgeschehen auswirken. Demnach wurde die Rechtsbeschwerde des Betroffenen als unbegründet verworfen, ein bußgeldbewehrter Verstoß gegen die StVO lag somit vor. OLG Köln, Beschluss vom 04.12.2020 – 1 RBs 347/20
Keine Einschränkung des Umgangsrecht wegen Corona
Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass der Umgang zwischen dem nicht betreuenden Elternteil und den Kind zum absolut notwendigen Minimum sozialer zwischenmenschlicher Kontakte gehört, so dass auch der in einem anderen Haushalt lebende Elternteil während der Pandemie den Umgang wie bisher ( Umgangskontakte an Wochenenden mit Übernachtung)ausüben darf. Solche persönlichen Kontakte werden auch nicht, trotz Pandemie, durch Telefonate oder aber Kontakte mit Entfernung ersetzt. Die Kernfamilie ist danach von der politischen Empfehlung soziale Kontakte zu vermeiden, nicht umfasst.